Wednesday, December 29, 2010

Jussi Adler Olsen: Schändung


Nach Erbarmen ist Schändung der zweite Fall für Adler Olsens Kommissar Carl Mørck. Letzterer ist in seinem Job angekommen und bekommt mit Sekretärin Rose eine weitere Mitarbeiterin hinzu. Auch sie ist jemand, die sich anderswo nicht so richtig einfügen will - und passt damit ausgezeichnet zu Carl und Assad, auch wenn Carl das natürlich zunächst nicht zugeben kann.

Der Fall ist brutaler gelagert als der erste: Eine Gruppe von dänischen High Society Unternehmern ist seit ihrer Jugend im Internatsmilieu gewalttätig, prügelt, quält und tötet. Und kommt weitgehend ungestraft damit durch. Zentrale Figur ist Kimmie, die einzige Frau der Gruppe, die zugleich das schwächste und das brutalste Element ist. Kimmie ist der Gruppe vor einiger Zeit entflohen und führt ein Schattendasein am Rande der Gesellschaft, sie versteckt sich als Obdachlose in Kopenhagen. Mit ihrem Wissen ist sie für die Gruppe gefährlich, gleichzeitig ist sie selbst in Gefahr, denn die übrigen wollen sie endlich ausgeschaltet sehen.
Die Recherchen Carl Mørcks verlaufen eher träge, zwar findet er einige der Opfer, aber dass er schließlich das Ausmaß des Falles begreift, ist nicht sein eigener Verdienst.
Vielmehr ist Kimmie die Protagonistin und Erzählerin des Falles, denn aus ihrer Sicht wird das Geschehen schließlich aufgerollt und zum Ende gebracht, während Assad und Carl im Grunde angesichts der extremen Gewaltbereitschaft der Täter versagen.
Genau dies ist auch mein Kritikpunkt an dem sonst spannenden Roman: Zunächst erblicken wir Kimmie als mysteriöses Wesen, dessen Verhaltensweisen und Beweggründe unklar sind - im letzten Drittel erfahren wir plötzlich alles offen und konkret aus ihrer Sicht und die Ermittler werden im Grunde überflüssig, denn wir wissen schon, was Sache ist. Es folgt noch die Verkehrung des Racheengels in die Person, die unsere Ermittler vor dem sicheren Tod rettet und an sich selbst Gerechtigkeit übt.
Unklar bin ich mir auch noch darüber, ob es glaubhaft ist, dass diese Gewalterfahrung und seine Angst, erneut einen Partner zu verlieren, bei Carl Mørck eine Veränderung seines Verhaltens bewirkt: Er entschließt sich nun doch, seine Probleme offen der Psychologin zu schildern, sich helfen zu lassen und sich gleichzeitig zum Gutmensch zu wandeln. Etwas viel auf einmal, wie ich finde.
Der nächste Band wird zeigen, ob das aufgehen kann.

Jussi Adler Olsen, Schändung. dtv, München 2010.

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