Saturday, December 29, 2012

Jo Nesbø - Das fünfte Zeichen

Na klar, nach einem Aufwärtstrend folgt der Absturz. Trotz Alkoholismusrückfall und unter Kündigungsandrohung ist Harry immer noch der erfolgreichste Ermittler Oslos. Und Tom Waaler kriegt endlich gerechterweise eins auf die Mütze. Gut gelesen von Heiko Deutschmann.

Jo Nesbø, Das fünfte Zeichen. Hörbuch Hamburg 2007.

Thursday, December 27, 2012

Jo Nesbø - Die Fährte


Nachdem ich Kakerlaken und Rotkehlchen als Audiobooks gehört habe, habe ich nun Nummer vier der Harry Hole Serie von Jo Nesbø, Die Fährte, gelesen. Vielleicht liegt es am Medienwechsel, vielleicht musste mir Harry auch erst näherkommen, jedenfalls finde ich Die Fährte bislang am besten.
Nesbø greift neben einem neuen Fall die in Rotkehlchen begonnene Geschichte um Harrys ermordete Kollegin Ellen wieder auf, gibt ihm aber zugleich die Möglichkeit, menschlich zu wachsen. Er geht auf die neue Kollegin Beate Lønn zu, er vertieft seine Beziehung zu Rakel und ihrem Sohn, obwohl diese erst am Ende des Romans wieder zurück nach Norwegen kommen. Dazwischen liegt eine vielschichtige, sehr komplizierte Verwirrgeschichte um Bankraub, Familienhass und Rache, die Harry nur nach und nach und mit vielen Umwegen aufdecken kann. Am Ende bleibt der Cliffhanger für Das fünfte Zeichen, Roman Nummer fünf.  
Komplex ist wohl ein sehr passendes Adjektiv für Nesbøs Krimis, aber noch fesselnd und glaubhaft, nicht überfordernd.

Jo Nesbø, Die Fährte. Ullstein 2006.

Mehr zu Die Fährte bei krimi-couch.de.

Die Harry-Hole-Reihe im Überblick:
  1. Der Fledermausmann (1997)
  2. Kakerlaken (1998)
  3. Rotkehlchen (2000)
  4. Die Fährte (2002)
  5. Das fünfte Zeichen (2003)
  6. Der Erlöser (2005)
  7. Schneemann (2007)
  8. Der Leopard (2009)
  9. Die Larve (2011)

Tuesday, December 25, 2012

Daniel Kehlmann - Der fernste Ort


Der fernste Ort ist eine Novelle von Daniel Kehlmann, die 2001 und damit vier Jahre vor seinem Bestseller Die Vermessung der Welt erschienen ist. Der Titel Der fernste Ort ist eine Adaption von Ultima Thule, dem fernsten bekannten Ort im Norden der Welt.
Für das Cover des Buches wurde Réné Magrittes La reproduction interdite (1937) verwendet, sehr treffend für eine Geschichte, die selbst surreal wirkt, von Spiegelungen und verschwommener (Selbst-) Wahrnehmung nur so wimmelt. Sie handelt von Julian, der sein durchschnittlich-mittelmäßigs Leben hinter sich lassen will und dabei in Rückblenden von seinen vorangegangenen und von seinen aktuellen Fluchtversuchen berichtet. Eine akkurate Zusammenfassung der Handlung findet sich bei wikipedia, die allerdings nicht darstellt, wie im Zuge der Novelle die Grenzen von Realität und träumend-halluzinierender Wahrnehmung Julians immer mehr verschwimmen. Am Ende bleibt die Frage offen, was vom Geschilderten tatsächlich noch passiert.
Mich erinnerte gerade der Beginn der Erzählung aus irgendeinem, sich mir nicht näher erschließenden Grund an Thomas Mann, vielleicht ist es die Verzweiflung und übermäßige Beobachtungs- und Reflexionsgabe des Protagonisten, vielleicht auch die Sprache mit langen, ins Detail gehenden Sätzen. Die bereits erwähnte verschwimmende Realität des Erzählten erschwerten mir im letzten Drittel der Novelle ein wenig das Verständnis, zumal alles mit Symbolen und Querbezügen zu Vorangegangenem schier überfrachtet ist (eventuell ein Audiobook-Problem, gelesen vielleicht einfacher). Kehlmann zieht ständig Verbindungen zu Gewesenem, zur Psyche, zum Unterbewussten des Protagonisten. Gründe für dessen Fluchtwunsch sind viele zu finden, vor allem seine Losgelöstheit und Distanziertheit zu allen ihn umgebenden Menschen, in der Familie und im Beruf. Ob die Flucht aus dem ungeliebten, vielleicht sogar nicht lebenswertem Leben gelingen kann, wird nicht beantwortet, denn die Surrealität der Handlung der letzten zwei Abschnitte lässt diese undeutlich bleiben. Wohin Julian am Ende geht, ist offen, der Tod ist nur eine Möglichkeit.
Unbestritten hat Kehlmann hier sprachlich und erzählerisch eine große kleine Geschichte geschrieben, die von Matthias Brandt exzellent umgesetzt wurde.

Daniel Kehlmann, Der fernste Ort. Hörbuch Hamburg 2010.

Sunday, December 23, 2012

Reading Challenge

Reading is fine and one of the best things you can do in your free time. You can never read too much, sadly you usually don't read enough. A while ago, I joined goodreads, a social network for readers (maybe you noticed the widget on the right), where you can search for new books, get recommendations, talk and write about what you read and plan your next reading. In addition to writing about my books here I usually post my reviews there too.

In 2012 I also took part in the goodreads reading challenge where you choose a specific number of books you want to read over the year. I set my goal to a realistic number of 50 books which I managed quite easily.
I want to read more in 2013 but I haven't decided on the exact number yet.

Browsing on goodreads' groups I came across another challenge which was set up by one of the other members. Mandy came up with the idea and she writes about it on her blog bookaholicasworld.
Here are the - in part unusual - conditions for the challenge:
  1. Ein Buch mit mindestens 500 Seiten. 
  2. Ein Buch, dessen Cover dir gar nicht gefällt.
  3. Ein Buch, das mit dem Buchstaben “Z” im Titel beginnt.
  4. Ein Buch, in dem mindestens 1 Tier vorkommt.
  5. Ein Buch, das mittlerweile seit einem Jahr auf deinem SuB (= Stapel ungelesener Bücher) liegt.
  6. Ein Buch, das schon einmal gelesen wurde oder gebraucht ist.
  7. Ein Buch mit einem schwarz-weißen Cover.
  8. Ein Buch, das du abgebrochen und nie beendet hast.
  9. Ein Buch, dessen Autor weder deutsch- noch englischsprachiger Herkunft ist.
  10. Ein Buch, dessen Erscheinung du kaum erwarten konntest.
  11. Ein Buch, das alle Vokale [a, e, i, o, u] im Titel enthält.
  12. Ein Buch von einem kleinen/unbekannteren Verlag.
  13. Ein Buch, das vor dem 21. Jahrhundert veröffentlicht wurde (bis 1999).
  14. Ein Buch, dessen Autor oder Genre dich bisher nicht begeistern konnte.
  15. Ein Buch, das eine andere Person wahllos aus deinem SuB fischt.
  16. Ein Buch, dessen Autor den Nobelpreis erhalten hat.
  17. Ein Buch, das du lesen möchtest, bevor der Film erscheint.
  18. Ein Buch, das im Titel eine Fantasy-Gestalt enthält (z.B. Elfenfluch, Dämonenkuss, Engel der Nacht, usw.)
  19. Ein Buch, das auf einer wahren Begebenheit basiert.
  20. Ein Buch lesen, in dem es um das Thema BÜCHER geht.
Let's see what'll become of it. Updates will be available on the special Challenges page.

Wednesday, December 19, 2012

Self-made Christmas cards



These are some of my watercolour-Zentangled-self-made Christmas cards 2012. They are being postcrossed at the moment, I hope they arrive safely.

Sunday, December 16, 2012

Kiss That Frog

Postcrossing card from Russia by Lidia, referring to the fairytale of the Frog Prince. It reminded me of Peter Gabriel's song Kiss That Frog (from the album Us, 1992).
I liked the album a lot at the time, but if I listen to the lyrics of Kiss That Frog today, I know that I missed out on some of the ambiguous meaning then. Or, come to think of it, it's not ambiguous, it's really quite distinct:

"Don't you know that this tongue can kill? ..."

By the way, the video won the award for "Best Special Effects" at the MTV Video Music Awards in 1994.


Sunday, December 09, 2012

Ken Follett - Sturz der Titanen

Einmal mehr hat Ken Follett mit Sturz der Titanen (im Original Fall of Giants, 2010) einen historischen Epos verfasst - über eine eher ungewöhnliche Zeit, nämlich die rund um den ersten Weltkrieg. Anhand verschiedener Einzelcharaktere und Familien, die er in Großbritannien, Deutschland, Russland und den USA positioniert, erzählt er die Vorgeschichte, den Verlauf und die Nachwirkungen des Krieges. Dabei schafft es Follett, den Balanceakt zwischen emotionaler Romanerzählung und historischen Fakten zu halten. In manchen Details gibt er äußerst genau den geschichtlichen Verlauf wieder, lässt reale und prominente Personen der Zeit die Dinge sagen, die sie tatsächlich gesagt haben oder gesagt haben könnten, wie Follett in seinem Nachwort betont. Dem Roman liegt definitv eine umfassende historische Recherche zugrunde.
Trotz der Länge des Romans (in der gebundenen Ausgabe 1024 Seiten) kommt der Erzählfluss kaum je ins Stocken, hat man nicht den Eindruck von überflüssigem Geplänkel. Statt dessen nimmt man Anteil an den großen Veränderungen der Zeit, an dem Schrecken dieses Krieges und lernt gegebenenfalls sogar etwas über die großen politischen Zusammenhänge dazu. Dabei hebt Follett sprachlich nie ab, wie alle seine Romane ist auch dieser leicht lesbar und bedient sich eines unkomplizierten, aber dennoch ansprechenden Sprachstils.
Sturz der Titanen ist der erste Band einer geplanten Trilogy, der zweite Band ist kürzlich erschienen. Er trägt den Titel Winter der Welt und handelt vom zweiten Weltkrieg, augenscheinlich treten einige der Charaktere aus Sturz der Titanen wieder auf. Der dritte Band soll sich mit dem Kalten Krieg beschäftigen.

Ken Follett, Sturz der Titanen, Lübbe, Köln 2011.
Mehr Rezensionen und Meinungen in der FAZ, der Süddeutschen und bei histo-couch.de.

Joy Fielding - Zähl nicht die Stunden


Von außen betracht hat Mattie Hart alles: Den gut aussehenden Ehemann Jake (erfolgreicher Anwalt), die fast perfekte Tochter und das Haus mit Pool, in dem sie sich mit schönen Dingen umgibt.
Doch der Schein trügt: Die Ehepartner leiden beide unter traumatischen Kindheitserlebnissen und Jake betrügt Mattie. Als Mattie einen Neuanfang machen will, kommt die fürchterliche Diagnose einer Krankheit hinzu, die nach und nach ihre Muskeln unbrauchbar machen wird, so dass sie nur noch kurze Zeit zu leben hat.

Von diesem Punkt ausgehend, entwickelt Fielding die Geschichte um das Ehepaar, das es erst im Angesicht des Endes schafft, mit Liebe und Ehrlichkeit aufeinander zuzugehen.
Natürlich ist der Verlauf des Buches in gewisser Weise vorhersehbar, Spannung kam daher wenig auf, was man bei der Psychothriller-Autorin vielleicht anders erwarten würde. Einige Szenen sind ergreifend, aber dabei auch ein wenig gefühlsduselig - wie man dies empfindet, hängt wohl von der eigenen Stimmung ab.
Zwar rüttelt die Geschichte der schrecklichen Krankheit, die einen nach und nach lähmt und damit das Leben immer weiter einschränkt, wach, die eigene Gesundheit, das eigene Leben wertzuschätzen, andererseits bleiben Fragen. Der Ausweg aus dem nicht mehr lebenswerten Leben wird Mattie fast ein wenig zu leicht gemacht, die Bürde, die damit anderen auferlegt wird, wenig thematisiert.

Joy Fielding, Zähl nicht die Stunden. Random House 2008.

Thursday, December 06, 2012

Charlotte Link - Im Tal des Fuchses

Eine Entführung, mit dessen Erlös der Kleinkriminelle Ryan Lee seine Schulden bei einem Kredithai abbezahlen will, geht schrecklich schief: Er wird wegen eines anderen Deliktes (schwere Körperverletzung bei einer Kneipenschlägerei) verhaftet und kommt insgesamt. Feige verschweigt er seine Entführung und die Entführte Vanessa Willard bleibt elendig im Tal des Fuchses, eingesperrt in einer Holzkiste in einer Höhle zurück. Die eigentliche Geschichte spielt in der Zeit nach Ryan Lees Gefängnisstrafe. Er kommt zunächst bei Nora unter, die den mittellosen Ryan an sich binden will, während er Angst vor der Verfolgung durch den Kredithai haben muss.


Charlotte Link konstruiert die Geschichte aus verschiedenen Perpektiven, neben der von Ryan Lee, erleben wir auch Noras Sichtweise und die von Jenna. Jenna ist die neue Freundin von Matthew Willard, wobei sich die Beziehung schwierig gestaltet, weil Matthew den Verlust seiner Frau Vanessa und die Ungewissheit über ihren Verbleib nicht verwunden hat.
Tempo bekommt die Geschichte, als mit Alexia, eine gemeinsame Freundin von Jenna und Matthew, durch die sie sich kennenlernten, eine weitere Frau auf die gleiche Weise entführt wird. Ryan kann es nicht gewesen sein, er hat durch Nora ein Alibi. Wer steckt also hinter der Entführung?

Ein typischer Krimi ist Im Tal des Fuchses nicht, Links Bücher werden oft als "Spannungsromane" bezeichnet, was vielleicht auch zutreffend ist. Spannung erzeugt die Geschichte schon, allerdings wirken der emotionalen Befindlichkeiten und auch die Charaktere selbst konstruiert und klischeehaft gewollt:
Ryan, der charakterlich zu schwach ist, um auch nur eine einzige richtige Entscheidung zu treffen - gerechtermaßen landet er wieder im Gefängnis.
Nora, die verzweifelt nach einem Mann sucht, den sie an sich binden kann, dabei aber völlig die Perspektive verliert und damit auch die Kontrolle über ihr eigenes Leben verliert - sie droht am Ende für Jahrzehnte in eine unerfüllte, kranke Liebe abzurutschen, die glücklos bleiben wird.
Matthew, das indirekte Opfer Ryans, der traumageplagte, einsame Wolf - er wird erlöst durch die bedingungslos liebende, neue Frau und kann so mit der Vergangenheit abschließen.

Der Plot ist soweit plausibel konstruiert inklusive der Schlusswendung zum wahren zweiten Entführer und in ihrer Klischeehaftigkeit handeln die Charaktere stringent. Die Lesung von Gudrun Landgrebe ist angenehm, wenngleich nicht überdurchschnittlich bemerkenswert.

Bislang hatte ich noch nichts von der Autorin gelesen oder gehört, zumindest kann ich mich daran nicht erinnern. Im Tal des Fuchses ist kein Roman, der mich zum Charlotte Link Fan machen würde, so wird ihr weiteres Werk vermutlich von mir ungelesen bleiben.

Charlotte Link, Im Tal des Fuchses. Random House 2012.

Wednesday, November 28, 2012

Transparent Cubism

This is an art card I received from the Philippines. It was sent by Philip. The artist is from the Philippines too: Vicente Manansala (1910-1981) studied in Banff and Montreal in Canada and in Paris, France. He developed a style called Transparent Cubism.
The title of the painting is simply Prayer before Meal.
I like it.
The wikipedia article offered another example of his work, Philippines Mother and Child (1965): 


Saturday, November 24, 2012

Finding the right card


Ren from Japan writes in her postcrossing profile that she would like to receive card on the topic "hands". Unfortunately there wasn't a card in my two big boxes with postcards that could fulfill her wish. So I got out my water colour cards and drew hand myself with a Zentangle design, voilá! 
Not too bad, I think.

Wednesday, November 21, 2012

Jonathan Stroud - Bartimäus - Das Auge des Golem

Jonathan Strouds zynisch-sympathischer Dämon Bartimäus war als Audiobook beim ersten Band nur ein eingeschränktes Vergnügen, da Martin Semmelrogge keine gute Wahl als Sprecher war. Gerd Köster setzt die Stimmen von Nathaniel, Bartimäus und Kitty weitaus differenzierter um. Zwar gefällt mir die oft kindliche-schrille Einfärbung seiner Stimme nicht immer, aber das Zuhören machte durchaus Freude, zumal es nun schon länger her ist (2007), dass ich die englischen Romane gelesen habe, so dass die Geschichte auch Spannung brachte, da einige der Details nicht mehr präsent waren.
 
Jonathan Stroud, Bartimäus - Das Auge des Golem. Random House Audio 2005.

Sunday, November 18, 2012

Wave succeeding wave


And see the rivers how they run
Through woods and meads, in shade and sun,
Sometimes swift, sometimes slow,—
Wave succeeding wave, they go
A various journey to the deep,
Like human life to endless sleep!

John Dyer (1699-1757, Welsh poet) , Grongar Hill.

Krtek postcard sent by Lucy, Czech Republic

Saturday, November 17, 2012

Paradise

I have always imagined Paradise as a kind of library. 
 Jorge Luis Borges, in Dreamtigers (1960)

The postcard shows The Long Room of Trinity College in Dublin, Ireland. It's the main chamber of the Old Library, 65 metres long and there are about 200,000 of the oldest books of the collection. It was one of the most amazing rooms I've ever been in. I visited it in July 2012.

Tuesday, November 13, 2012

Morning in a Pine Forest


According to wikipedia, this is the second most popular painting in Russia! It is called Morning in a Pine Forest and is credited to Ivan Shishkin (although Konstantin Savitsky is said to have painted the bears, what a strange thing!). It's from 1889 and it is reproduced on a lot of different items including chocolate packaging. Apart from that it's a cute picture - thanks to Nelly who sent this card!

Monday, November 12, 2012

Against the current

postcard showing Gdynia, Poland, in 1930, sent by Agnieszka

So we beat on, 
boats against the current, 
borne back ceaselessly 
into the past. 

Wednesday, November 07, 2012

Simon Beckett - Obsession

Die Reihe von Simon Beckett um den Arzt und Forensikexperten David Hunter (zum Beispiel Verwesung oder Leichenblässe) gehört zu meinen Krimi-Lieblingen der letzten Jahre. Im Grunde ist es nicht verwunderlich, dass nach den Bestsellererfolgen auch die früheren Werke des Autors vermarktet werden. Doch nicht zu Unrecht ist er mit diesen nicht berühmt geworden.
Obsession (im Original erstmals erschienen 1998)  handelt von dem Fotografen Ben Murray, dessen Sarah Frau plötzlich an einem Aneurysma stirbt und ihn mit dem autistischem Siefsohn Jacob alleinlässt. An Tempo gewinnt die Geschichte durch die Entdeckung von einigen Zeitungsausschnitten, die Ben erahnen lassen, dass Jacob nicht Sarahs leiblicher Sohn ist. Er lässt einen Privatdetektiv ermitteln, um die leiblichen Eltern zu finden und trifft auf seinen Antagonisten, den Exsoldaten John Cole. 
Ben ist zunächst vom Wunsch nach Gerechtigkeit getrieben und überlässt Jacob seinem leiblichen Vater, nur um festzustellen, dass dieser zu Gewalt neigt und sich äußerst merkwürdig  - obsessiv - verhält. Die Eskalation ist vorprogrammiert.
Leider verliert die Geschichte von diesem Punkt an merklich an Fahrt, die Beteiligten beim Jugendamt handeln klischeeartig nicht, Ben verliert sich selbst zunehmend in seiner Obsession, John Cole seine Verfehlungen nachzuweisen, spioniert aber dabei auch dessen Frau hinterher, ein Aspekt, der eher störend und banal wirkt. Nach alledem reagieren die Behörden schließlich doch noch, aber nicht ohne den alles zuspitzenden Fehler zu begehen, der John Cole endgültig zur gewalttätigen Lösung seiner Probleme zwingt. Es gibt statt einer Lösung Mord und polizeilichen Großeinsatz, gewürzt mit einer Prise Heldentum von Ben Murray. Achja, und am Ende kommt dann doch alles wieder ins Lot. 
Es ist nicht alles schlecht an diesem Roman, die erste Hälfte machte beim Zuhören Freude, die Charaktere sind interessant, die Figur des autistischen Sohnes ungewöhnlich. Der zweite Teil wirkt eher zäh und ihr Verhalten verleidete mir die Hauptfiguren, der Sohn und dessen besonderes Erleben der Welt spielte kaum mehr eine Rolle. Erst ganz am Schluss rückt er wieder in den Fokus. Damit hat Beckett Potenzial vergeben. 
Johannes Steck hat auch die David Hunter Bücher gelesen, so dass es zunächst irritierend war, Hunter und Murray überlagerten sich. Die Stimme Stecks ist gewohnt angenehm. 

Simon Beckett, Obsession. Argon, Berlin 2009.

Saturday, November 03, 2012

Maarten 't Hart - Unter'm Scheffel

 Der Niederländer Maarten 't Hart ist einer der bekannteren Gegenwartsautoren und genießt einen entsprechenden guten Ruf. Am erfolgreichsten ist sein Roman Das Wüten der ganzen Welt (1993). Diesen und einige andere seiner Romane habe ich vor längerer Zeit gelesen und gemocht. 
Unter'm Schffel erzählt die Geschichte des Musikers und Komponisten Alexander Goudveyl, der sich in fortgeschrittenem Alter noch einmal verliebt - in eine jüngere Frau, die Tierärztin ist und Popmusik mag. Das kann nicht gutgehen, das weiß man von der ersten Seite an. So ist Alexander zerrissen zwischen Verliebtsein, Begierde, Liebe, der Gewohnheit seiner Ehe und seiner wahren Leidenschaft, der Musik, die seine Geliebte Sylvia überhaupt nicht teilen kann. Obwohl er schnell begreift, dass Sylvia Verliebtheit abkühlt und sie außer ihm noch andere Männer trifft, kann er sich nicht von ihr lösen, die Beziehung findet kein Ende.
Gelesen wird das Audiobook von Max Volkert Martens (dt. Schauspieler, diverse TV-Serien), der Alexander in ruhigem Tonfall liest. Zwar fehlt im vielleicht ein wenig an Dynamik, aber dies mag auch dem Buch entsprechen: Das Leiden ist konstant, die Euphorie nur kurzfristig. Mir erschienen die sechs CDs nahezu endlos, viele Stunden Mitleiden. Kurzweilig allenfalls die Einwürfe und Parallelgeschichten zu berühmten Komponisten und ihren Werken, die aber wohl nur für den an der klassischen Musik interessierten von Bedeutung sind. Insgesamt kann man dem Protagonisten den Stempel "leidender Intellektueller" aufdrücken. Obwohl Maarten 't Hart wie gewohnt gut schreibt und sprachlich nichts daran auszusetzen ist, hat mit der Roman dennoch wenig Freude bereitet. Ich bin mit den Charakteren nicht warm geworden, die Geschichte hat mich nicht wirklich berührt.
Wer in das Buch hineinlesen will, kann dies beim Piper Verlag online tun.

Maarten 't Hart, Unter'm Scheffel. rbb 2011.

Verwicklungen


Thursday, November 01, 2012

Das Mondlicht fangen

Obwohl im Meer keine Fische mehr leben,
fährt der Fischer bei Vollmond hinaus.
Ich darf ihn manchmal begleiten.
Früher war er Kapitän bei der Marine,
"vier Sterne auf jeder Schulter,
wenn du weißt, was das heißt".
Er kennt jede Welle zwischen Afrika
und hier, jede Schaumkrone, jeden Seestern.
Wir fahren an die Stelle, wo wir
am besten das Mondlicht fangen können
mit unserem Käscher. Einen Eimer voll,
das langt, gegen sieben sind wir dann
wieder zurück mit unserer Beute
und können erzählen.
 Quint Buchholz/Michael Krüger, Keiner weiß es besser als der Mond. Hanser, München 2001.

Wednesday, October 31, 2012

Der Himmel dichtet

Manche Dichter sitzen am Schreibtisch
und suchen Reime für die Nacht,
finden sie einen, ist es vollbracht.
Wir fahren nachts im Boot über den See
und lassen den Himmel dichten. 

Quint Buchholz/Michael Krüger, Keiner weiß es besser als der Mond. Hanser, München 2001.

Sunday, October 28, 2012

Tobias Elsäßer - Für Niemand

Selbstmord bei Jugendlichen ist ein hartes Thema. Aber es ist wichtig, es nicht zu verdrängen.


Der Verlag (auf dessen Seite es auch Videotrailer zum Buch (!) gibt) fasst den Inhalt von Tobias Elsäßers Für Niemand wie folgt zusammen:
"Drei Jugendliche, drei Schicksale. Sie kennen sich nicht, aber sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Selbstmord.
In einem Internetforum verabreden sich Sammy, Nidal und Marie, um gemeinsam zu sterben – ohne allerdings zu ahnen, dass sie beobachtet werden. Yoshua ist heimlicher Mitleser des Chats und versucht, das Ereignis zu verhindern. Tatsächlich gelingt es ihm, die Identität, die hinter den Nicknames steckt, herauszufinden. Doch als er zum vereinbarten Treffpunkt kommt, ist es für einige schon zu spät..."

Elsäßer erzählt episodisch aus den unterschiedlichen Perspektiven der Jugendlichen, unterbrochen von Aussagen anderer Beteiligter bzw. durch die Chatprotokolle. Als Jugendlicher hat man so sicher eine Chance, sich zumindest in einige der Personen hineinversetzen zu können. Für mich als Erwachsene ist es teilweise schwer, die Beweggründe der drei für ihre Selbstmordpläne nachzuvollziehen. Sie bleiben teils klischeehaft, teils unkonkret. Manchmal schimmert aber auch das Leiden an der Welt hindurch, an das ich mich durchaus erinnere. Eine Welt der Masken und Rollen, in der es unmöglich scheint, man selbst, ehrlich und glücklich zu sein oder zu werden.
Der Roman bleibt undramatisch, so scheint es, selbst das Ende. Vielleicht muss dies zu sein, um Jugendliche zwar zu berühren, sie aber nicht zu sehr in die Richtung eigener selbstmörderischer Gedanken zu drängen.
Eine Behandlung im Unterricht stelle ich mir sehr schwer vor, wenngleich ich das Thema für höchst brisant und wichtig halte. Aber da stellt sich die Frage, ob dies nur meiner eigenen Angst geschuldet oder eine rationale Gefahreneinschätzung ist.

Tobias Elsäßer, Für Niemand. Sauerländer, Mannheim 2011.

Andrea Fazioli - Am Grund des Sees

Andrea Fazioli lebt im Schweizer Kanton Tessin und lässt seine Romane auch dort spielen. 
Elia Contini ist Privatdetektiv und lebt zurückgezogen in den Bergen. Ganz in der Nähe gibt es einen Staudamm, der entstand, als er ein kleiner Junge war. Sein Elternhaus liegt auf dem Grund des Sees und seitdem ist auch sein Vater verschwunden. Nun soll der Staudamm erweitert werden und plötzlich werden der Bürgermeister und der planende Ingenieur ermordet. Contini beginnt Fragen zu stellen und wird damit selbst zum Verdächtigen...
Die Grundidee des Romans, das Setting und die Charaktere bieten durchaus Möglichkeiten für eine spannende Geschichte. Fazioli jedoch enthüllt Großteile seiner Geschichte völlig beiläufig, es ist bereits ab dem ersten Drittel klar, was geschehen ist und geschehen wird. Eine echte Wendung gibt es nicht, auch der Showdown ist trotz Schneesturm und Schusswaffen sehr vorhersehbar. 
Die eigentlich Frage, was mit dem Vater damals geschah, wird lapidar "heruntererzählt" von einer Augenzeugin in Briefform. Mit der Wiedergabe von Briefen, E-Mails und SMS versucht Fazioli mehrmals im Roman, seine Erzählform aufzulockern, auf mich wirkte dies aber eher wie eine Aneinanderreihung von Informationen, mit denen die Story vorangetrieben werden sollte. Insgesamt eher ein enttäuschender Roman trotz der guten Idee und des ungewöhnlichen Tessiner Schauplatzes.
 

Andrea Fazioli, Am Grund des Sees. btb Verlag, München 2009.

Saturday, October 27, 2012

Jacques Berndorf - Die Nürburg-Papiere


Jacques Berndorf ist einer der erfolgreichsten Krimiautoren Deutschlands und lebt in er in der Eifel, wo auch seine Krimis spielen. Bereits in Eifel-Rallye (1997) nahm er sich des Nürburgrings als Schauplatz an.
Die Nürburg-Papiere (2010) beschäftigen sich mit dem finanziellen Filz hinter dem Motorsport. Der Manager der Ring-GmBh wird ermordet, weitere Morde folgen. Die Story ist kompliziert, viele Ermittlungsrichtungen, nichts überzeugt wirklich.
Der liebeswerte, eifelliebende Baumeister hält sich mit den Eifel-Schwärmereien etwas zurück, dafür sind die übrigen vertrauten Charaktere etwas aus dem Gleichgewicht geraten: Rodenstock ist nach seiner Erkrankung psychisch unten und stößt seine Frau Emma und Baumeister ständig vor den Kopf, sehr unsympathisch. Folglich ist er als Ermittler auch kaum mit von der Partie. Emma ist entsprechend verzweifelt und geht shoppen mit Jennifer, die der Heirat mit einem Brasilianer knapp entkommen ist. Es taucht ein alter, inzwischen obdachloser Freund von Baumeister auf, der ihm in seinen Überlegungen als Reflexionsfläche dient. Ein bisschen nach Wunschdenken Berndorfs fühlt sich die neue, jüngere Freundin von Baumeister an, die aus dem Nichts auftaucht und schon immer nach Baumeister gesucht hat.
Dialoge und Charakter Baumeisters machen nach wie vor viel Freude, der Fall vermochte mich dennoch nicht so recht zu fesseln und auch die Aufklärung ist meines Empfindens eher schwach gelöst.

Jacques Berndorf, Die Nürburg-Papiere. Radioropa, Daun 2010.

Wednesday, October 24, 2012

Rotkäppchen

Postkarte von Maria aus Moskau, Russland
Es war einmal eine kleine süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Sammet, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm: »Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf, bevor es heiß wird, und wenn du hinauskommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und guck nicht erst in alle Ecken herum.«

»Ich will schon alles gut machen«, sagte Rotkäppchen zur Mutter und gab ihr die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen aber wußte nicht, was das für ein böses Tier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. »Guten Tag, Rotkäppchen«, sprach er. »Schönen Dank, Wolf.« »Wo hinaus so früh, Rotkäppchen?« »Zur Großmutter.« »Was trägst du unter der Schürze?« »Kuchen und Wein: gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke und schwache Großmutter etwas zugut tun und sich damit stärken.« »Rotkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?« »Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen«, sagte Rotkäppchen. Der Wolf dachte bei sich: »Das junge zarte Ding, das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte: du mußt es listig anfangen, damit du beide erschnappst.« Da ging er ein Weilchen neben Rotkäppchen her, dann sprach er: »Rotkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die ringsumher stehen, warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst, und ist so lustig hausen in dem Wald.«

Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: »Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe, der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh am Tag, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme«, lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stände eine schönere, und lief darnach, und geriet immer tiefer in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Türe. »Wer ist draußen?« »Rotkäppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach auf.« »Drück nur auf die Klinke«, rief die Großmutter, »ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen. « Der Wolf drückte auf die Klinke, die Türe sprang auf, und er ging, ohne ein Wort zu sprechen, gerade zum Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann tat er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.

Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viel zusammen hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich, daß die Türe aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dachte: »Ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mir's heute zumut, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!« Es rief »Guten Morgen«, bekam aber keine Antwort. Darauf ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. »Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!« »Daß ich dich besser hören kann.« »Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!« »Daß ich dich besser sehen kann.« »Ei, Großmutter, was hast du für große Hände« »Daß ich dich besser packen kann.« »Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!« »Daß ich dich besser fressen kann.« Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.

Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fing an, überlaut zu schnarchen. Der Jäger ging eben an dem Haus vorbei und dachte: »Wie die alte Frau schnarcht, du mußt doch sehen, ob ihr etwas fehlt.« Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so sah er, daß der Wolf darin lag. »Finde ich dich hier, du alter Sünder«, sagte er, »ich habe dich lange gesucht. « Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein, der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben und sie wäre noch zu retten: schoß nicht, sondern nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar Schnitte getan hatte, da sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: »Ach, wie war ich erschrocken, wie war's so dunkel in dem Wolf seinem Leib!« Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum atmen. Rotkäppchen aber holte geschwind große Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer, daß er gleich niedersank und sich totfiel.

Da waren alle drei vergnügt; der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und ging damit heim, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Rotkäppchen gebracht hatte, und erholte sich wieder, Rotkäppchen aber dachte: »Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir's die Mutter verboten hat.«

Es wird auch erzählt, daß einmal, als Rotkäppchen der alten Großmutter wieder Gebackenes brachte, ein anderer Wolf ihm zugesprochen und es vom Wege habe ableiten wollen. Rotkäppchen aber hütete sich und ging gerade fort seines Wegs und sagte der Großmutter, daß es dem Wolf begegnet wäre, der ihm guten Tag gewünscht, aber so bös aus den Augen geguckt hätte: »Wenn's nicht auf offner Straße gewesen wäre, er hätte mich gefressen.« »Komm«, sagte die Großmutter, »wir wollen die Türe verschließen, daß er nicht herein kann.« Bald darnach klopfte der Wolf an und rief: »Mach auf, Großmutter, ich bin das Rotkäppchen, ich bring dir Gebackenes.« Sie schwiegen aber still und machten die Türe nicht auf: da schlich der Graukopf etlichemal um das Haus, sprang endlich aufs Dach und wollte warten, bis Rotkäppchen abends nach Haus ginge, dann wollte er ihm nachschleichen und wollt's in der Dunkelheit fressen. Aber die Großmutter merkte, was er im Sinn hatte. Nun stand vor dem Haus ein großer Steintrog, da sprach sie zu dem Kind: »Nimm den Eimer, Rotkäppchen, gestern hab ich Würste gekocht, da trag das Wasser, worin sie gekocht sind, in den Trog.« Rotkäppchen trug so lange, bis der große, große Trog ganz voll war. Da stieg der Geruch von den Würsten dem Wolf in die Nase, er schnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, daß er sich nicht mehr halten konnte und anfing zu rutschen: so rutschte er vom Dach herab, gerade in den großen Trog hinein, und ertrank. Rotkäppchen aber ging fröhlich nach Haus, und tat ihm niemand etwas zuleid.

Brüder Grimm: Die schönsten Kinder- und Hausmärchen - Kapitel 140 (gefunden bei Projekt Gutenberg)

Friday, October 19, 2012

Frau Freitag - Voll streng, Frau Freitag

Nach Chill mal, Frau Freitag ist Voll streng, Frau Freitag das zweite Buch der Lehrerin mit dem erfolgreichen Blog. Ihre Geschichten drehen sich größtenteils um das letzte Schuljahr ihrer 10. Klasse (Integrierte Sekundarschule Berlin-Neukölln), sie sind kurz und kurzweilig, mal ernst und mal albern. Die Lehrerpersönlichkeit von Frau Freitag klingt in allen Geschichten mit, sie ist mir sympathisch und so manches Mal nickt man, erkennt sich und die Situationen des Schulalltags wieder.
„Was ist das für ein komischer Beruf, die Verantwortung für 28 Teenager und ihr Leben zu haben? Wie fühlen sich denn Menschen in anderen Berufen? Fühlen sich die Leute im Jobcenter auch so verantwortlich, wenn sie jemanden in einer Maßnahme schicken und der da nicht ankommt? Ärgern sich Ärzte darüber, wenn der Patient mit chronischem Lungenleiden nicht mit dem Rauchen aufhört? Kann der Finanzminister nachts nicht schlafen  weil Deutschland so viele Schulden macht?“
Ja, der Beruf ist anders. Und direkt danach:
„Hilft Supervision?“ (S.56f.)
Der Spagat zwischen den Beruf als Berufung wahrzunehmen und dennoch gesund zu bleiben. Ja.
Allgemein zum Buch gesprochen: Nette, sprachlich schlichte und etwas seichte Unterhaltung, gewisse Affinität zum Thema sollte gegeben sein.

Frau Freitag, Voll streng, Frau Freitag – Neues aus dem Schulalltag. Ullstein, Berlin 2012.