Saturday, September 09, 2017

Birkel/Reymann - Lauf-Guide für Frauen

Seit einiger Zeit laufe ich regelmäßig. Nicht besonders viel, nicht schnell, sondern eher lahm. Ich freue mich dabei daran, morgens draußen zu sein, Luft und Natur zu spüren. Dabei tue ich etwas Sinnvolles für meine Fitness. Mein Trainingszuwachs ist dabei nicht besonders groß, was mir meistens egal ist, manchmal ärgert es mich aber auch. Meine Lunge will nicht immer so, wie ich will, vielleicht bin ich auch nicht ehrgeizig genug.
Da bekam ich vor kurzem den Laufguide für Frauen geschenkt, der von zwei Sportwissenschaftlern geschrieben wurde und mit Das maßgeschneiderte Trainingskonzept untertitelt ist. Es beinhaltet verschiedene Grundlagenkapitel zu den Themen Motivation, Kleidung, Vorbereitung (Aufwärmen, Dehnen, Krafttraining), wieso Frauen anders laufen als Männer, Trainingspläne und Ernährung.


Grundsätzlich ist der Lauf-Guide verständlich und leicht zu lesen, gut gegliedert und mit zahlreichen Fotos und Abbildungen versehen. Das Kapitel zur Motivation nennt viele der positiven Effekte des Laufens und betont, dass Laufen Spaß macht - keine Frage! Bei der Kleidung betonen die Autoren die Wichtigkeit von passendem Schuhwerk, der Rest an Spezial- und Funktionsschnickschnack ist eher "good to have", aber nicht zwingend notwendig. Bis hierhin hat man noch das Gefühl, sehr bodenständig an das Thema herangeführt zu werden, auf den darauf folgenden 50 Seiten wird es dann schon komplexer, denn es werden Dehn- und Kräftigungsübungen im Detail (also mit Anleitungen) vorgestellt. Diesen Teil empfinde ich eher als nicht sehr hilfreich, denn es ist schlichtweg sehr unpraktisch, solche Übungen anhand eines Buches zu machen, auch wenn es sicherlich sinnvoll ist, das Laufen mit Krafttraining zu unterstützen.
Dann folgte das zwar nicht sehr lange, aber dafür entlastende Kapitel mit dem Titel "Frauen laufen anders". Es erklärt die physischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf ihre Auswirkungen für das Laufen: weniger Muskelmasse, kleineres Herz, kleinere Lunge. Aber Frauen laufen zum Teil auch aus anderen Gründen (siehe oben) und empfinden auch nicht so sehr die Notwendigkeit, sich miteinander zu messen, was die Autoren lapidar, aber sehr treffend mit "Männer rennen - Frauen laufen" zusammenfassen. Das soll aber nicht bedeuten, dass Frauen im Laufsport weniger leistungsfähig sind.
Dann werden die verschiedenen Lauftechniken dargestellt und Tipps für einen besseren Laufstil gegeben, damit Fehler beim Laufen vermieden werden. Das Kapitel mit den Trainingsplänen ist nicht so umfangreich, wie man sich das vielleicht erhofft. Im Grunde besteht es aus fünf Plänen: Laufen für Einsteigerinnen, Übergewichtige oder Vortrainierte, außerdem je ein Plan für 10km unter einer Stunde und für einen Halbmarathon. Dabei wird jeweils vorausgesetzt, dass mindestens dreimal die Woche traininert werden kann. Kürzere oder weniger häufigere Laufvarianten sind nicht vorgesehen.
Über das letzte Kapitel Ernährung habe ich mich ein wenig geärgert, denn als Leserin und Fan von Nadja Herrmanns Fettlogik überwinden sprangen mir die Fettlogiken praktisch nur so von den Seiten entgegen. Zwar werden entscheidende Themen wie Grundumsatz und der Wichtigkeit von einer ausgewogenen Ernährung angesprochen, die Autoren nennen aber auch den (nicht existierenden) Hungerstoffwechsel und die Jo-Jo-Falle. Vielleicht aber auch nicht verwunderlich, denn schließlich werden viele der Fettlogiken als gegebene Wahrheiten wahrgenommen, wenngleich ich bei Sportwissenschaftlern auf eine wissenschaftlich basierte Kenntnis der Fakten gehofft hätte. Auch solche Anweisungen wie "mindestens drei Mahlzeiten pro Tag sollten es sein" sind gelinde gesagt Blödsinn, sofern sie völlig unreflektiert als generelle Anweisung an alle gegeben wird.
Krux an meiner Beurteilung des letzten Kapitels, bei dem mir mein Wissensstand klarmacht, dass die Aussagen der Autoren nicht immer zutreffend sind - ich zweifle auch an einigen anderen Stellen. Die Trainingspläne sind für mich persönlich vermutlich nicht gut nutzbar, da ich die nötige Zeit nicht regelmäßig aufbringen kann (oder auch nicht motiviert genug bin, mehrere Stunden pro Woche zu laufen).

Insgesamt bringt der Lauf-Guide grundlegende Erkenntnisse und bestätigt auf motivierende Weise, dass Laufen ein guter Weg zu besserer Fitness mit vielen guten Nebeneffekten ist. Er setzt aber schon einen gewissen Ehrgeiz voraus, mit dem Laufen besser und schneller werden zu wollen, eben genau das Kompetetive, das mit "Männer rennen - Frauen laufen" ausgedrückt wird. Für kleinere Verbesserungsziele, die unter dem Zehn-Kilomenter-in-unter-einer-Stunde oder dem Halbmarathon liegen, bietet das Buch nicht so viel Raum - dennoch halte ich es für hilfreiche Lektüre, um sich über verschiedene Aspekte des Laufens zu informieren.

Birkel/Reymann, Lauf-Guide für Frauen. München 2016.

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